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(W) Brandstifter von Solingen - Statement des Landgericht Wuppertal

  • Bergische Blaulichtnews
  • vor 2 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit
Vor dem Landgericht wurde monatelang verhandelt.
Vor dem Landgericht wurde monatelang verhandelt.

Am Mittwoch, den 30.07.2025 hat die 5. große Strafkammer als 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Wuppertal ein Urteil verkündet. Der Angeklagte wurde wegen Mordes und drei Fällen des versuchten Mordes, jeweils in Tateinheit mit weiteren Delikten, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Die Kammer hat die anschließende Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet und zudem die besondere Schwere der Schuld festgestellt.



Die Kammer hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte soll durch die Brandlegung in einem Solinger Mehrfamilienhaus am 25.03.2024 eine vierköpfige Familie ermordet haben. Der Angeklagte soll sich in der Nacht des 25.03.2024 gegen halb 3 Uhr zu dem Mehrfamilienhaus begeben haben und mindestens einen Liter Brandbeschleuniger auf Benzinbasis im Treppenhaus verschüttet haben. Anschließend soll er dieses angezündet haben. Hierdurch habe er ein Feuer im Treppenhaus entfacht, welches sich schnell im Haus ausgebreitet

habe. Der Brand soll zum Tod des im Dachgeschoss des Hauses lebenden Elternpaars und ihrer zwei Kinder im Alter von zwei Jahren und fünf Monaten geführt haben, für die das – vollständig vom Feuer erfasste ‒ Treppenhaus der einzig mögliche Rettungsweg gewesen wäre. Die in den

darunterliegenden drei Etagen lebenden Bewohner hätten sich durch Sprünge aus dem Fenster retten können. Sie sollen unterschiedlich schwere Verletzungen und teilweise schwere Verbrennungen erlitten haben, teilweise habe Lebensgefahr bestanden.



Der Angeklagte soll in der Nacht zum 09.11.2022 schon einmal das Mehrfamilienhaus in Solingen aufgesucht haben, in dem er am 25.03.2024 den

Brand gelegt haben soll. In dieser Nacht soll er mehrere Grillanzünder abgelegt haben, die mit einer brennbaren Flüssigkeit durchtränkt gewesen seien sowie eine brennbare Box. Indem er die Grillanzünder angezündet habe, soll er ein Feuer entfacht haben. Als die Bewohner das Feuer bemerkt und die Feuerwehr gerufen hätten, habe bereits die hölzerne Trennwand zum Kellerabgang angefangen zu brennen. Die Feuer-

wehr habe den Brand löschen können, bevor es zu einer Durchzündung des Treppenhauses gekommen sei.


Am 16.02.2024 soll der Angeklagte versucht haben, ein weiteres Wohnhaus in Solingen in Brand zu setzen, indem er mehrere Liter brennbarer Flüssigkeit im Treppenhaus verschüttet und diese angezündet haben soll. Die Flüssigkeit soll – anders, als sich der Angeklagte vorgestellt habe ‒ lediglich oberflächlich gebrannt haben, ohne dass das Gebäude oder ein

Gebäudeteil in Brand geraten sei. Das Feuer sei von selbst erloschen. Nach der Überzeugung der Kammer hat der Angeklagte billigend in Kauf genommen, dass Menschen zu Tode kommen und hierbei zwei Mord-

merkmale verwirklicht: Der Angeklagte soll die Taten durch den Einsatz von Feuer mit gemeingefährlichen Mitteln begangen haben. Die Kammer hat die Tathandlungen (mit Ausnahme gegenüber dem Kind im Alter von fünf Monaten) als heimtückisch bewertet, weil der Angeklagte die Arg- und Wehrlosigkeit der Hausbewohner mitten in der Nacht in feindseliger

Willensrichtung ausgenutzt habe.


Rettungskräfte brachten das Opfer nach dem Machetenangriff in ein Krankenhaus.
Rettungskräfte brachten das Opfer nach dem Machetenangriff in ein Krankenhaus.

Schließlich soll der Angeklagte am 08.04.2024 den Zeugen S. in dessen Wohnung in Solingen besucht und nach einem Aufenthalt von 15 bis 20 Minuten anlasslos Reizgas in seine Richtung gesprüht haben. Sodann soll er mit einer 40 bis 45 Zentimeter langen Machete mehrfach auf den Kopf des Zeugen eingeschlagen haben. Der Zeuge soll anschließend aus

der Wohnung ins Treppenhaus geflohen seien. Auf der Flucht soll der Angeklagte erneut mit der Machete auf den Kopf des Zeugen eingeschlagen haben. Anschließend soll er den verletzten Zeugen zurückgelassen haben. Die Schläge sollen stark blutende Skalpierungsverletzungen am Kopf verursacht haben, derentwegen der Zeuge sofort habe notoperiert werden müssen. Auch diese Tat wertete die Kammer als heimtückisch

und – so der Vorsitzende in der Urteilsbegründung – besonders perfide, da der Angeklagte diesen ohne erkennbaren Anlass attackiert habe und der Zeuge mit keinem Angriff auf sein Leben durch seinen damaligen

Freund rechnen musste.


Der Vorsitzende hat in der Urteilsbegründung hervorgehoben, dass sich das Gericht seit März umfassend mit der Frage auseinandergesetzt hat,

ob sich feststellen lässt, dass der Angeklagte die Brandlegungen aus rechtsradikaler Gesinnung begangen hat. Es seien während des Prozesses durch das Gericht umfangreiche Nachermittlungen angeordnet worden, welche die Polizei unter erheblichem Personaleinsatz durchgeführt habe. Die Ergebnisse dieser Nachermittlungen seien zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden. Er bedauere die mit den Nachermittlungen verbundene Verzögerung des Verfahrens angesichts der damit verbundenen emotionalen Belastung für die Opfer und Hinterbliebenen.


Das Gericht habe eine rechtsradikale Gesinnung des Angeklagten auch unter Berücksichtigung dieser weiteren Beweismittel nicht feststellen können. Die Kammer habe den Eindruck gewonnen, dass er ein nicht besonders politisch interessierter Mensch sei, dessen Taten ausschließlich in seiner Persönlichkeit begründet seien. Der psychiatrische Sachverständige habe überzeugend ausgeführt, dass der Angeklagte mit den Taten sein geringes Selbstwertgefühl und bestehende Drucksituationen habe

kompensieren wollen. Er habe aus rein selbstsüchtigen Motiven gehandelt. Sämtliche Tatorte wiesen einen biographischen Bezug zur Person

des Angeklagten auf. Anhaltspunkte für eine (stille) Radikalisierung des Angeklagten lägen auch nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht vor. Es habe darüber hinaus keine belastbaren Anhaltspunkte gegeben, aus denen sicher auf ein rechtsradikales Tatmotiv geschlossen werden könne. Solche hätten sich auch nicht aus der Auswertung der digitalen Spuren (die unter anderem Internetaktivitäten des Angeklagten aus den letzten 10 Jahre umfassten) ergeben. Soweit einzelne Inhalte dem rechten Spektrum zugeordnet werden könnten (Aufruf von Websites, Musikdateien, Bilder), seien diese in der Gesamtschau der gesicherten Dateien von untergeordneter Bedeutung und ließen daher keinen sicheren Rückschluss auf ein rechtsradikales Motiv zu. Bei einzelnen Dateien, die von einer Festplatte gesichert worden seien, sei nicht feststellbar,

dass diese dem Angeklagten zuzuordnen seien.


Der Vorsitzende hat betont, dass der Angeklagte den Opfern und Hinterbliebenen unfassbares Leid verursacht habe. Das Gericht hat die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet, weil von dem Angeklagten aufgrund seiner Persönlichkeit weiterhin eine besonders hohe Gefahr ausgehe. Es sei – auch nach der Bewertung durch den psychiatrischen Sachverständigen - eine persönlichkeitsge-

bundene Bereitschaft zur Begehung von schweren Straftaten der vorliegenden Art gegeben. Aufgrund des gesamten Tatbildes einschließlich der Täterpersönlichkeit, insbesondere vor dem Hintergrund der Vernichtung von vier Menschen-

leben und der Todesgefahr für weitere 21 Menschen, hat die Kammer die besondere Schwere der Schuld festgestellt, sodass eine Strafaussetzung

der lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe nach 15 Jahren auch bei günstiger Täterprognose grundsätzlich nicht in Betracht kommt.


Textquelle: Landgericht Wuppertal, Pressedezernentin und Richterin am Amtsgericht Katharina Keil

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